Sven van Thom

So geht gute Laune

Gut für gar nichts

Wenn ich schlauer wär’, hätte ich Dir nie meine Nummer gegeben.
Wenn ich schlauer wär’, dann wär’st Du jetzt nicht ein Teil von meinem Leben.
Wenn ich schlauer wär’, hätt’ ich früher gemerkt, dass Du alles zu Asche und Schutt machst.
Wenn ich schlauer wär’, hätte ich gleich gehört, dass Du Dich über mich kaputt lachst.

Wenn ich schlauer wär’, hätte ich bestimmt schon längst das Weite gesucht.
Wenn ich schlauer wär’, hätte ich für Dich eine Reise ohne Rückflug gebucht.
Wenn ich schlauer wär’, hätte ich mir glatt jede Menge Kummer erspart.
Wenn ich schlauer wär’, hätte ich Dir nie meine Gefühle offenbart.

Hab mich verbrannt, muss meine Wunden kühlen.
Doch wer nicht hören will, der muss wohl fühlen.
Aus Fehlern wird man klug, das weiß selbst ich.
Du bist nicht gut für mich, bist nicht mal gut für Dich.
Du bist gut für gar nichts

Hätt‘ ich aufgepasst, hätt’ ich glatt bemerkt, dass Du ein asozialer Freak bist.
Dass der Zustand, in dem Du Dich aufhältst, ein permanenter Krieg ist.
Und Du glaubst, kein Mensch würde Dich verstehen, alle wären bloß irritiert.
Doch Du bist durchschaubar wie ein Fenster, frisch geputzt und poliert.

Doch warum bin ich dann darauf reingefallen, hab mir Hoffnungen gemacht und Sorgen?
Und warum bin ich überhaupt noch rangegangen, als Du angerufen hast am Morgen?
Wenn ich schlauer wär’, hätte ich gesehen: Du hinterlässt alles nur zerstört.
Wenn ich schlauer wär’, hätte ich von Anfang an auf meine Freunde gehört.

Hab mich verbrannt, muss meine Wunden kühlen.
Doch wer nicht hören will, der muss wohl fühlen.
Aus Fehlern wird man klug, das weiß selbst ich.
Du bist nicht gut für mich, bist nicht mal gut für Dich.
Du bist gut für gar nichts.

Rauchen Saufen Kinderkriegen

Dein runder Bauch macht Deine Füße unsichtbar.
Fauler Atem, und im Abfluss liegt Dein Haar.
Was tun, wenn die doofen Dinge überwiegen?
Rauchen, Saufen, Kinderkriegen.

Wenn Sonnenschein nur noch eine Erinnerung ist.
Wenn Dir ´was fehlt, zum Beispiel Dein Gebiss.
Und die Enttäuschungen zu dicht beieinander liegen.
Rauchen, Saufen, Kinderkriegen.

Ist der Himmel mal nicht rosig, sondern mehr so anthrazit.
Und Du fragst Dich: Was ist los? Ich hab gar keinen Appetit.
Dein Elan ist allzu groß nich’, wie man schon von Weitem sieht.
Doch etwas ist Dir noch geblieben:
Rauchen, Saufen, Kinderkriegen.

Hast Du Langeweile oder viel zu tun?
Bist Du kränklich oder doch komplett immun?
Bist Du Atheist oder ist Dir wer erschienen?
Rauchen, Saufen, Kinderkriegen.

Was danach passiert, ist nicht eindeutig klar.
Es ist nur gewiss, nichts bleibt so wie es war.
Eins oder alle? Wofür hast Du Dich entschieden?
Rauchen, Saufen, Kinderkriegen.

Ist der Himmel mal nicht rosig, sondern mehr so anthrazit.
Und Du fragst Dich: Was ist los? Ich hab gar keinen Appetit.
Dein Elan ist allzu groß nich’, wie man schon von Weitem sieht.
Doch etwas ist Dir noch geblieben:
Rauchen, Saufen, Kinderkriegen.
Du hast ja sonst nicht viel zu lachen.
Rauchen, Saufen, Kinder machen.

Nicht schon wieder Sommer

Vor dem Bikini-Shop brüllt ein aufgebrachter Mob:
Nicht schon wieder Sommer.
Und aus purem Gruppenzwang muss man in den Urlaub fahr’n.
Nicht schon wieder Sommer.

Der Himmel langweilig und blau, dann bei 30 Grad im Stau.
Nicht schon wieder Sommer.
Soweit das Auge reicht am Strand: Nackte Haut und Sonnenbrand.
Nicht schon wieder Sommer.

Mein geliebter dicker Schal wirkt auf einmal irrational.
Nicht schon wieder Sommer.
Und kaum tritt man mal vor’s Haus, sieht man verschwitzt und klebrig aus.
Nicht schon wieder Sommer.

Ich war grade so schön blass, auf den Winter war Verlass.
Nicht schon wieder Sommer.
Selbst der Eisverkäufer meint, dass er Burnout hat und weint.
Nicht schon wieder Sommer.

Traurig sagen wir: Adé.
Lebt wohl, Kälte, Matsch und Schnee.
Denn wenn es draußen floriert,
Wirkt deprimiert so deplatziert.

Kurze Hosen, Männerbeine. Komm, Du weißt doch, was ich meine.
Nicht schon wieder Sommer.
Voller Hass und Widerwillen sitzen wir im Park und grillen.
Nicht schon wieder Sommer.

Allen geht es auf die Eier.
Jedes Jahr die selbe Leier.
Gelbe Felder, ach ja, schön!
Hab ich alles schon gesehen.

Der Winter war traurig, wie immer,
Doch im Sommer wird’s noch schlimmer:
Open Air, Krach, Musik,
Und im Biergarten herrscht Krieg.

Mit Millionen anderen wein‘ ich.
Noch nie war man sich so einig.
Jeder hegt den selben Groll.
Alle haben die Schnauze voll.

Die Regierung und die Leute
Kämpfen heut‘ Seite an Seite,
Und sie fordern mit Geschrei:
„Deutschland endlich Sommerfrei!“

Alle Menschen sind vereint
Gegen unser aller Feind.
Und wir rufen: „Sommer raus!“
Drei Jahreszeiten reichen aus.

So geht gute Laune

Leute schunkeln, aber nur jeder zweite.
Alle klatschen, aber jeder für sich.
Alle Frauen mit Taille suchten längst schon das Weite.
Wir gehen auch bald. Hoffentlich.

So geht gute Laune, so geht gute Laune,
Fast wie ein Lottogewinn.
So geht gute Laune, so geht gute Laune,
So geht gute Laune dahin.

Die Luft riecht nach Pferdebulette.
Das Bier schmeckt nach Kompost und Staub.
Schon der Vierte fragt Dich nach ´ner Kopfschmerztablette.
Der DJ ist offenbar taub.

Und das Schlimmste ist an diesen Festen:
Jemand tanzt mit Dir und Du denkst: Mist!
Denn was nützt die schönste Frau unter den Resten,
Wenn es die eigene ist?

So geht gute Laune, so geht gute Laune,
Fast wie ein Lottogewinn.
So geht gute Laune, so geht gute Laune,
So geht gute Laune dahin.

Einfach weitermachen

Wir haben uns eingerichtet, wir haben uns zugebaut.
Ein Leben in Ikea. Die Plattensammlung im Keller verstaut.
Und möchte ich mal reden, dann geh ich raus mit dem Hund.
Hast Du noch was zu sagen, außer „Hauptsache gesund“?

Wir können einfach weitermachen. Es tut ja nicht wirklich weh.
Doch so ein Dasein ohne Lachen ist nicht okay.
Wir können einfach weitermachen, solange keiner Schaden nimmt.
doch es ist nicht zu übersehen, dass irgendwas nicht stimmt.

Aus Liebe wird Gewohnheit, aus großartig wird nett.
Aus Laufen wird Spazierengehen, und in zwanzig Jahren sind wir fett.
Spontanität wird Planung. Aus Leidenschaft wird Pflicht.
Aus Sex ein Gutenachtkuss. Wann sehen wir uns vor Gericht?

Wir können einfach weitermachen. Es tut ja nicht wirklich weh.
Doch so ein Dasein ohne Lachen ist nicht okay.
Wir können einfach weitermachen, solange keiner Schaden nimmt.
Doch es ist nicht zu übersehen, dass irgendwas nicht stimmt.

Du fragst mich: Bist Du müde? Ich sag: Ich bin bloß alt.
Und was wir hier erleben, ist grau und fade wie Asphalt.

Wir können einfach weitermachen. Ich sag mir: Ist ja nicht so schlimm.
Doch wenn wir an die Klippe krachen, was machst Du dann:
Untergehen oder Schwimmen?
Wir können so tun, als ob nichts wäre. Mehr fällt mir dazu auch nicht ein.
Wir bleiben einfach wie wir sind: Zu zweit allein.

Wenn keiner auf Dich wartet

Pack die blaukarierte Decke ein, wir fahren raus ins Grüne,
Da, wo alle Menschen glücklich sind.
Die Behauptung, dass die glücklich wären, ist vielleicht eine kühne.
Ja, kann sein, die sind nur für das Unglück blind.

Die Hecke gestutzt, der Rasen gemäht.
Der Zaun frisch gestrichen und
Ein Schild an der Tür sagt: Lass uns in Ruhe!
Dahinter bellt ein Hund.

Wir haben außer Zeit wirklich nicht viel,
Doch da ist nichts, worum ich sie beneide.
Komm, wir treiben fort, wohin der Wind uns weht.
Wir haben kein Geld, wir haben kein Ziel.
Wir beide haben nur uns beide.
Wenn keiner auf Dich wartet, kommt man nie zu spät.

In dem abgeranzten Supermarkt steht kein Mensch mehr Schlange.
Und die Frau an der Kasse hat noch nie gelacht.
Die drei Freunde an der Bushaltestelle warten schon viel zu lange.
Mal einzusteigen, daran haben sie nie gedacht.

Die Nacht bricht herein, die Sonne versinkt.
Der Hund bellt die Sterne an.
Schwärme von Mücken im Scheinwerferlicht.
Mal sehen, wo wir heut noch landen.

Wir haben außer Zeit wirklich nicht viel,
Doch da ist nichts, worum ich sie beneide.
Komm, wir treiben fort, wohin der Wind uns weht.
Wir haben kein Geld, wir haben kein Ziel.
Wir beide haben nur uns beide.
Wenn keiner auf Dich wartet, kommt man nie zu spät.

Ich brauch die Gefahr

Ich brauche keine Werbung in der Post,
Brauch keine Heizung und keinen Strom.
Ich brauch kein Geld und ich brauch keine Brust,
Gefüllt mit Silikon.
Ich brauche keinerlei Bestätigung,
Auch Liebe brauch ich nich’.
Weder Gesellschaft noch die Einsamkeit.
Ich brauche nicht mal Dich.

Doch ich brauch die Gefahr, um wieder irgendwas zu spüren.
Ich brauch die Gefahr, damit die Nerven sich berühren.
Ich brauche ganz klare Grenzen, um sie zu übergehen.
Ich brauch die Nähe zum Tod, um ihm ins Auge zu sehen.
Ich brauch Gefahr.

Ich such’ den Nervenkitzel jeden Tag
In ungekanntem Maße.
Zum Beispiel, gestern ging ich einfach so
Bei Gelb über die Straße.
Ich trank aus einem offenen Tetra Pak
Und hab vorher nicht dran gerochen.
Und auf dem Alex hab ich einen vom
Naturschutzbund angesprochen.

Die Leute denken, ich bin wahnsinnig.
Die Leute sagen, ich wär’ krass.
Denn wenn es regnet, geh ich vor die Tür
Und werde einfach nass.

Denn ich brauch die Gefahr, um wieder irgendwas zu spüren.
Ich brauch die Gefahr, damit die Nerven sich berühren.
Ich brauche ganz klare Grenzen, um sie zu übergehen.
Ich brauch die Nähe zum Tod, um ihm ins Auge zu sehen.
Ich brauch Gefahr.

Ich streichle manchmal Katzen, obwohl ich sie nicht kenne.
Klingle an fremden Türen, bevor ich schnell wegrenne.
Ich hab mal einem Busfahrer die Zunge rausgestreckt
Und eine Briefmarke aus dem Automaten angeleckt.

Einmal wäre ich fast Fallschirm gesprungen.
Und beim U2-Konzert hab ich mal falsch mitgesungen,
Denn ohne die Gefahr ist alles sinnlos und leer,
Denn ich spür gar nichts mehr.

Ich brauch die Gefahr, um wieder irgendwas zu fühlen.
Ich brauch die Gefahr, um meine Emotionen aufzuwühlen.
Ich nehm’ sie in Kauf, die Schmerzen und Wunden.
Von Null auf Dreißig in nur fünfzehn Sekunden.
Mehr brauch ich nicht.
Ich brauch’s nur gefährlich.

Wikipediaschlager #3: Chrysanthemen

Aus Japan, Korea und China,
Über Russland, bis nach Europa
Breitete er sich aus wie eine Seuche im Wind,
der asternartige Korbblütler.

Ein im Ansatz verholzender Zwergstrauch.
Die Blätter glatt bis stark gefiedert, im Schnitt.
Der Korbboden ist konvex bis leicht kegelförmig.
Die Rede ist von der Chrysantheme. Igitt!

Die Ratte unter den Pflanzen.
Die Akne unter den Blumen.
Ein Garten voller Chrysanthemen
Ist ein Grund, sich zu schämen.
Chrysantheme, Du bist ein Irrtum.

Von Rot, Weiß, Gelb, Rosa bis Purpur
Leuchten die Blüten einfallslos und ordinär.
Als wär’ nicht eine schon zu viel, gibt’s nach 3000 Jahren Zucht
Über 1000 Sorten und mehr.

Und in Japan, wenn man echt was drauf hat,
Kriegt man den Chrysanthemen-Orden umgehängt.
Ach Japan, ach Japan, so nimmt Dich doch keiner ernst.
Dafür gehört die ganze Insel versenkt.

Chrysanthemen, so öde und nutzlos.
Überflüssig wie ein Popel am Kinn.
Etwa so elegant wie ´ne Mumu voller Sand.
Traurig wie ein Leben ohne Sinn.

Ich hab mich nicht getraut

Es war mitten in den Neunziger Jahren.
Ich hab es von einer Freundin erfahren.
Kurt Cobain war gestorben, doch ich
Hatte keine Ahnung, wer das ist.

Bald darauf hatte ich lange Haare,
Trug Flanellhemd und spielte Gitarre.
Wir waren ostdeutsche Rockstar-Kopien,
Auf Langnese-Eis statt Heroin.

Die anderen haben sich Joints gebaut, Joints gebaut,
Aber ich hab mich nicht getraut, nicht getraut.

Ich weiß noch, wie wir perplex dreigeschaut haben,
Als wir bemerkten, dass sie uns beklaut haben.
Die Gitarren und das Keyboard waren weg.
Und was blieb, war der Proberaumdreck.

Ich hab blauäugig Treue geschworen,
Freunde gewonnen und Freunde verloren,
Traf Menschen, deren Bekanntschaft ein Krieg war,
Aber vor allem war immer Musik da.

Die anderen haben Pilze gekaut und verdaut,
Aber ich hab mich nicht getraut, nicht getraut.

Ich war schon 32 Jahre alt, als ich
Zum ersten Mal vom Alkohol erbrach.
Ich will nicht sagen, ich hätte was verpasst,
Doch wenn ich alt bin, hol’ ich alles nach.

Die Zeit verging, und ich bin abgeklärter.
Mal ist es einfacher, mal ist es härter.
Ich sang von Liebe und ich sang vom Ficken.
Die Langen Haare hab ich jetzt am Rücken.

Keine Ahnung, wie’s nun weitergeht.
Um jung zu sterben, ist es längst zu spät.
Erwachsen werden, wär’ eine Option,
Denn jeder sagt, alt genug wär’ ich schon.

Die anderen haben ein Kind gezeugt, ein Haus gebaut,
Aber ich hab mich nicht getraut, nicht getraut.

Es ist schon etwas her, dass mir das erste graue Haar
Auf meinem Kopf in die Augen stach.
Vielleicht lüg’ ich mir in die Tasche, wenn ich sag:
Wenn ich alt bin, hol’ ich alles nach.

Nimm den Topf vom Herd

Ich habe eingekauft. Für Dein Lieblingsrezept
Hab ich die besten Zutaten nach Haus geschleppt.
Alles zurechtgeschnitten und dann das Öl erhitzt,
Gewürzt und abgeschmeckt, doch es hat nichts genützt.

Der Hunger treibt es rein, doch im Magen liegt es schwer.
Bis auf Chili und Pfeffer schmecken wir nichts mehr.
Was ich mit Liebe koche, ist Dir schon lange nichts mehr wert.
Doch wenn es angebrannt riecht, nimm den Topf vom Herd.

Ich hab so lang gewartet, doch jetzt ist der Ofen aus.
Wo bist Du gewesen? woher kommst Du schon satt nach Haus?
Hier geht’s nur noch ums Überleben und nicht mehr um Genuss.
Und das Dessert schmeckt bitter wie ein kalter, feuchter Kuss.

Der Hunger treibt es rein, doch im Magen liegt es schwer.
Bis auf Chili und Pfeffer schmecken wir nichts mehr.
Was ich mit Liebe koche, ist Dir schon lange nichts mehr wert.
Doch wenn es angebrannt riecht, nimm den Topf vom Herd.

Wir löffeln und wir schlingen, dabei sind wir längst gesättigt, doch
Wir essen gegen die Stille an. Nur eine Frage hätt’ ich noch:
Hängst Du überhaupt noch an mir wie Fleisch zwischen den Zähnen?
Oder bist Du auch so leer wie ein Huhn nach dem Ausnehmen?

Soviel wir auch gemeinsam kauen, wir füllen unsere Herzen nicht.
Kantinenfraß bei Halogen, statt drei Sterne und Kerzenlicht.
Du kochst Dein eigenes Süppchen, und ich schmeiß’ die Reste weg.
Noch ´was einzufrieren hätte keinen Zweck.

Der Hunger treibt es rein, auch noch die letzte Kleinigkeit.
Doch Du weißt, Geschmack ändert sich mit der Zeit.
Es riecht faul und abgestanden, was schon so lange gärt.
Pack’ schon mal Deine Tassen, ich nehm’ den Topf vom Herd.

Beeil’ Dich, Zeit

Beeil’ Dich, Zeit! Renn’ doch ein bisschen schneller.
Kannst Du nicht wie im Flug vergehen?
Beeil’ Dich, Zeit! Ich warte auf mein Mädchen.
Hab sie so lange nicht gesehen.

Ich wurde wach vom Rumpeln der Müllabfuhr.
Es war noch dunkel draußen. Ich sah auf die Uhr,
Und ich wusste gleich: Das wird ein langer Tag.
Und schon beim Frühstück war es nur eine Qual:
Jeden Bissen kauen, 36 mal,
Und jedes Kauen dauert nicht mal einen Sekundenschlag.

Beeil’ Dich, Zeit! Renn’ doch ein bisschen schneller.
Kannst Du nicht wie im Flug vergehen?
Beeil’ Dich, Zeit! Ich warte auf mein Mädchen.
Hab sie so lange nicht gesehen.

Auch bei der Arbeit hab ich nur an sie gedacht,
Doch als ich fertig war, da war es grad mal acht
Minuten nach zwei.
Und im Radio kam immer nur das gleiche Lied.
Immer der selbe Text und der selbe Beat.
Geht dieser Tag denn nie vorbei?

Wenn Du wartest, dass die Zeit einfach vergeht,
Merkst Du plötzlich, dass die Welt sich rückwärts dreht.
An so Tagen ist Dir pünktlich noch zu spät.
Selbst der Sekundenzeiger steht.

Zeit Du nervst. Wärest Du ein Hundebaby,
Ich hätt’ Dich längst schon ausgesetzt.
Beeil’ Dich, Zeit! Ich warte auf mein Mädchen.
Ich will sie küssen, und zwar jetzt.

Dröge Jugend

Wir waren jung und voller Energie,
Noch ach so weit entfernt von Nostalgie.
Das Leben stand bevor, doch irgendwie
Waren wir nur am Ficken.

Wir hätten’s sicher richtig weit gebracht,
Hätten wir nicht immer nur rumgemacht.
Doch statt zu lernen bis spät in die Nacht
waren wir nur am Ficken.

Uns war so langweilig. Wir wussten nicht, wohin
Mit den Hormonen und mit all dem Adrenalin.
Außer Wald und Feld haben wir doch nichts gekannt.
Das war die dröge Jugend, draußen auf dem Land.

Wir hingen selten auf der Straße rum,
Kannten weder Gras noch Opium,
Beschränkten Sport nur auf ein Minimum,
Denn wir waren ständig am Ficken.

Unseren Eltern sagten wir immer:
Wir gehen Musikhören, ob en im Zimmer.
Ich nehme mal an, die hatten schon einen Schimmer,
Dass wir immer nur ficken.

Selbst auf der Klassenfahrt, da hielt es uns kaum.
Zwar schliefen noch zwei andere Mädchen im Raum.
Wir haben gehofft, die wären längst tief im Traum,
Aber die hörten uns ficken.

Uns war so langweilig. Wir wussten nicht, wohin
Mit den Hormonen und mit all dem Adrenalin.
Außer Wald und Feld haben wir doch nichts gekannt.
Das war die dröge Jugend, draußen auf dem Land.

Weil Keuschheit uncool und altmodisch war,
Weil weit und breit kein Mensch katholisch war.
Von Anfang März bis Ende Februar
waren wir nur am Ficken.

Der erste Scheidenpilz, das erste Fungizid.
Wie man zum Kenner wird auf diesem Fachgebiet.
So was kommt davon, außerhalb der Stadt,
weil man im Dorf keine Alternative hat.

Die Hände ständig unter ihrem Oberteil.
Waren wir wirklich verliebt oder nur obergeil?
Die Hoffnung, dass beim Kauf vom ersten Schwangerschaftstest
Die Apothekerin sich nichts anmerken lässt.

Uns war so langweilig. Wir wussten nicht wohin?
Selbst mit mehr Taschengeld ist auf dem Dorf halt nicht mehr drin.
Da war echt nichts los, doch wie man so schön sagt:
„Gott sei Dank haben wir beide uns gehabt.“

Schablone

Zu faul für Karriere, zu fleißig für Hartz IV.
Zu haarig für ´nen Porno, zu nackig für ein Tier.
Zu schwammig für den Laufsteg, für Sumo viel zu schlank.
Zu fit für Rückenschule, für die Armee zu krank.

Für S zu unterwürfig, für M zu dominant.
Für den Chef zu punkig, für’s TV nicht interessant.
Zu hacke für Gesellschaft, zu klar für Therapie.
Zu müde für die Party, doch zu wach für Lethargie.

Was ich auch anzieh’, mir will nichts passen, passen.
Muss ich diese Welt denn den Genormten überlassen?
Was ich esse, will mir nicht schmecken, schmecken.
Gib mir was mit Kanten und dann gib mir was mit Ecken.

Zu männlich für ein Mädchen, für’n Mann zu feminin.
Zu pünktlich für Spontanität, zu spät für den Termin.
Für links zu realistisch, für rechts leider zu klug.
Für’s Auenland zu riesig, für King Kong nicht groß genug.

Zu reich für KiK und Tacco, zu arm für’s KDW.
Zu wahr für eine Lüge, zu falsch für ein Klischee.
Für PrenzlBerg zu hässlich, für Wedding viel zu schick.
Angst vor der Selbständigkeit und Angst vor der Fabrik.

Was ich auch anzieh’, mir will nichts passen, passen.
Muss ich diese Welt denn den Genormten überlassen?
Was ich esse, will mir nicht schmecken, schmecken.
Gib mir was mit Kanten und dann gib mir was mit Ecken.
Ich kann nicht mit und ich kann nicht ohne, ohne.
Für ein inneres Chaos wäre ich wohl die Schablone.

Farblos gezähmt und ohne jeden Biss.
Wie ein endloser Kompromiss.
Und das, was abweicht, das wird angepasst.
Ohne jeden Kontrast.

Herpes

Du hast Blasen an der Lippe,
Und die Kippe, an der Du ziehst, verdeckt nicht die
Blasen an Deiner Lippe.
Und ich nippe betreten am Glas und seh’ nur diese
Blasen an Deinem Mund.
Du bist ansonsten gesund, sagst Du mir,
Bis auf die Blasen.
Vorhin wollt’ ich Dich noch küssen,
Doch jetzt müssen wir warten, dass die
Blasen vertrocknen und heilen.
Es war schon ein Schock, denn bisweilen
Hab ich Dich so noch nie gesehen.
Ich hätte Bock auf Dich, doch dazwischen stehen die
Blasen. Und sie blühen so rot wie Mohn,
Leuchten wie glühende Kohlen,
Wie sie voll Hohn unsere Libido bedrohen.
Blasen können wir heut wohl vergessen.
Willst Du stattdessen was essen oder trinken?
Einen Wein? Trocken oder lieblich?
Nee, Bier ist mir zu herb, es schmeckt mir einfach nicht.

Was willst Du denn mit dem?

Du nahmst mich mit zu Freunden, Du nahmst mich mit nach Haus,
Nahmst mich mit zu Deinen Eltern. Dort lachten sie Dich aus.
Wohin Du mich auch mitnimmst, wirst Du schief angesehen,
Und man fragt Dich: Was willst Du denn mit dem?

Bin weder reich noch schön. Mehr so der Typ von nebenan.
Ich bin keiner, mit dem man ernsthaft angeben kann.
Bin oft schlecht gelaunt und schläfrig, und ich kann sie gut verstehen,
Wenn sie Dich fragen: Was willst Du denn mit dem?

Ich hab Dir doch schon hundertmal gesagt:
Wir sind alle austauschbar, sind alle austauschbar.
Es hat nichts genützt. Auch nach hundert Malen
Bist Du immer noch da, bist Du immer noch da. Bei mir.

Du nimmst mich bei der Hand und ich nehm’ Dich beim Wort,
Wenn Du sagst, Du gehst nie, Du gehst nie wieder fort.
Es ist so schön, wie Du sie anschaust: Als kriegten sie gleich ein Problem,
Wenn sie noch mal fragen: Was willst du denn mit dem?

Die neuen Nachbarn

Meiner Trommelgruppe hat man den Übungsraum gekündigt.
Wir suchen ja ´nen neuen aber wurden noch nicht fündig.
Zum Glück ist im Wohnzimmer Platz für alle Mann.
Aber Ingo muss lang arbeiten. Wir fangen etwas später an.
Das Brummen? Nee, das ist keine Turbine.
Das kommt von meiner neuen Profi-Kaffeemaschine.
Kaffeesatz ausklopfen, Milch aufschäumen,
Dann beim Cappuccino von ´nem Presslufthammer träumen.
Meine neuen Boxen haben noch mehr Bass.
Dubstep geht immer. Darauf ist Verlass.
Wenn wir uns anschreien, heißt das nicht, dass wir uns streiten.
Meine Frau hat nur mit den Ohren Schwierigkeiten.

Wir sind die neuen Nachbarn. Wir zogen neulich hier ein.
Ob wir das mit dem Krach war’n? Ja, mein Gott, kann schon sein.
Du wartest schlecht gelaunt auf ´ne Entschuldigung,
Doch Du hörst jetzt den Sound der Selbstverwirklichung.

Der Hund, ja der Hund, der ist ganz lieb.
Der weiß ja nicht, ist das im Treppenhaus jetzt ein Dieb
oder der von oben oder die von nebenan.
Also bellte er einfach immer, ist halt ´n Dobermann.
Dann bellt er, wenn er Hunger hat, dann bellt er auch vor Angst.
Er bellt, wenn Du ihn ignorierst und wenn Du was verlangst.
Dann bellt er, wenn er einsam ist und manchmal ohne Grund.
Der bellt. Was willste machen? Ist halt ´n Hund!
Es könnte ihm auch langweilig in seinem Revier sein.
Nächste Woche holen wir ihm ´nen Kumpel aus dem Tierheim.
Dann hat er einen zum Toben, dann hat er einen zum Spielen.
Ich liebe ja den Klang von Hundepfoten auf Dielen.
Und wenn ich Klavier üb’, dann setzt er sich daneben
Und fängt an zu heulen, als ginge es um sein Leben.
Hast Du schon mal YouTube auf „singender Hund“ geklickt?
Du glaubst ja nicht, wie viele Millionen Likes man dafür kriegt.

Wir sind die neuen Nachbarn. Wir zogen neulich hier ein.
Ob wir das mit dem Krach war’n? Ja, mein Gott, kann schon sein.
Du wartest schlecht gelaunt auf ´ne Entschuldigung,
Doch Du hörst jetzt den Sound der Selbstverwirklichung.

Wir bleiben hier für länger. Du sagst: So’n Mist!
Ärgern kannst Du Dich bis Du rot bist.
Gib’s zu, ohne uns wär’s schon trist.
Schlafen kannst Du, wenn Du tot bist.

Wir wohnen über Dir. Du wohnst unten.
Um vier haben wir uns in den Schlaf getrunken.
Um sechs ist Frühsport mit Seilspringen.
Mit dem Hall in der Dusche kann man geil singen.

Wart’s mal ab, bis wir Kinder haben,
Dann wird alles noch viel schlimmer, in den kommenden Jahren.
Beschwer’ Dich hier noch mal, dann gibt’s aber Beulen.
Zieh’ doch raus nach Spandau, doch hör’ auf zu heulen.

Wir sind jetzt die Neuen. Wir sind gekommen, um Dich zu stressen.
Das mit dem schönen Leben, das kannste jetzt vergessen.
Und wenn Du Dich dran gewöhnst und bist mit dem Krach vertrauter,
Kein Problem: Dann werden wir einfach noch lauter.